Bom bom bom. Die Klänge gehen durch Mark und Bein – und das an Heiligabend, wenn andernorts besinnliche Ruhe herrscht. Doch in Spanien ist bei Weihnachtsbräuchen und Traditionen vieles anders. Urheber des schellenden Lärms sind die Glockentänzer, die beim Heiligabendumzug im nordspanischen Pamplona ebenso wie Nutztiere, Pferde- und Ochsenwagen mit von der Partie sind.
Jeder Tänzer trägt einen bunten Spitzhut, eine Schärpe aus Fell und auf dem Rücken zwei angebundene kapitale Viehglocken, die im Rhythmus der Schritte erklingen. Bom bom bom. Der lautstarke Heiligabendumzug ist nur einer von mehreren Bräuchen, die die Weihnachtszeit in Spanien bis zum 6. Januar, dem Dreikönigstag, begleiten. Erst dann bekommen manche Kinder ihre Geschenke – nicht schon wie in Deutschland zu Heiligabend.
Der „dicke“ Hauptgewinn
Weihnachtsmärkte und Lichterzauber kennen auch die Spanier. Doch nichts läutet in dem Land so sehr die eigentliche Weihnachtszeit ein wie „El Gordo“. „Der Dicke“ – das ist der Hauptgewinn der Weihnachtslotterie, die am Vormittag des 22. Dezember in Madrid gezogen wird: live übertragen im Fernsehen. Lose gibt es bereits ab Sommer – in Lotteriefilialen, Metzgereien, Tabakläden und Bäckereien. Das System ist kompliziert, die Investition ins erhoffte Glück nicht billig. Viele Leute legen sich nur ein Zehntellos zu: für immerhin noch 20 Euro.
Über den „Dicken“, den Hauptgewinn, hinaus regnet es eine Fülle kleinerer Geldmengen – insgesamt 2,4 Milliarden Euro. Mädchen und Jungen der Madrider Schule San Ildefonso singen bei der Ziehung die Losnummern und die dazugehörigen Gewinne. Über Stunden zieht sich das monotone Geträller dahin. In den TV-Nachrichten des Mittags geben die größten Lottohelden bereits in Sektlaune Interviews. Ob sie wissen, dass sie ihre Finanzausbeute zu einem Fünftel versteuern müssen?
Wein und Häppchen zur Einstimmung
Am 24. Dezember haben die Geschäfte bis etwa 20 Uhr geöffnet. Der Andrang ist bis zuletzt riesengroß. Gleichzeitig platzen die Kneipen aus allen Nähten. Mit Wein und Häppchen stimmt man sich aufs spätere weihnachtliche Festmahl ein.
Nach Einbruch der Dunkelheit setzen sich im Baskenland und der Region Navarra besondere Umzüge in Bewegung. Protagonist ist der Olentzero, ein Köhler, der sinnbildhaft die frohe Botschaft von der Geburt Christi verkündet. Dargestellt ist der Olentzero als lebensgroße Puppe in ländlicher Tracht, geschultert von Trägern auf einer Sänfte. Die wohlgenährte, gemütlich wirkende Gestalt trägt Wollsocken an den Füßen und im Mundwinkel eine Pfeife.
Begleitet wird der Olentzero von Kapellen, die mit Flöten, Akkordeons und Trommeln musikalische Beben verbreiten. Ebenso bringen sich Txalaparta-Spieler zu Gehör. Bei der Txalaparta handelt es sich um ein archaisches Perkussionsinstrument aus dem Baskenland, das mit Holzstöcken geschlagen wird. Beim Umzug durch den historischen Kern von Navarras Hauptstadt Pamplona gesellen sich – wie eingangs erwähnt – Glockentänzer hinzu und zur Freude der Kleinsten überdies Hirten mit lebendigen Tieren: Schweinen, Gänsen, Schafen.
Stille erst nach 21 Uhr
Die Stille an Heiligabend gewinnt erst nach 21 Uhr Raum, wenn man sich im Familienkreis zum üppigen Abendessen zusammenfindet. Im Hintergrund laufen Weihnachtslieder vom Band oder aus dem Internet. „Noche de paz“ lautet das Pendant zur „Stillen Nacht“, in „Arre borriquito“ ist das Eselchen angehalten, nicht zu spät nach Bethlehem zu kommen.
Um Mitternacht feiern viele Leute, die sonst nicht zu den regelmäßigen Kirchgängern zählen, die Christmette, die auf Spanisch „Misa de Gallo“ heißt. Danach steigt für jene, die dies nicht erst am Dreikönigstag zelebrieren, die Bescherung.
Gespart wird an nichts
Am 25. Dezember, einem der wichtigsten Feiertage Spaniens, heißt es: ausschlafen und für den Mittag das nächste Essen im Familienverbund vorbereiten. Gespart wird selbst in gegenwärtigen Krisenzeiten an nichts. Es wird aufgefahren, dass sich die Tischplatte biegt, ob Riesengarnelen, Entenmuscheln oder Kapaun aus dem Ofen.
Kaloriensatt ist der Nachtisch, vor allem in Form von Nougat-Mandel-Tafeln (Turrones) und Schmalzküchlein (Polvorones und Mantecados), dazu Marzipan, Schokolade, Walnüsse, Feigen. Die Vitaminzufuhr hinkt leidlich hinterher.
Krippen dürfen auch in spanischen Haushalten nicht fehlen, doch selbst gläubigste Familien platzieren ein sonderbares Figürchen hinein, vor allem in Katalonien. Es ist der „Caganer“, der am Rande hockt und sein Körperinneres haufenweise erleichtert. Das wirkt auf Außenstehende derb und despektierlich.